Wenn dieser nicht religiöse, für das Verbrechen nicht mitverantwortliche, damals nicht dabeigewesene Mann nun dennoch auf eigenes Betreiben seinen Weg durchs ehemalige Warschauer Ghetto nimmt und dort niederkniet – dann kniet er da also nicht um seinetwillen. Dann kniet er, der das nicht nötig hat, da für alle, die es nötig haben, aber nicht da knien – weil sie es nicht wagen oder nicht können oder nicht wagen können. Dann bekennt er sich zu einer Schuld, an der er selber nicht zu tragen hat, und bitte um eine Vergebung, derer er selber nicht bedarf. Dann kniet er da für Deutschland.

–Hermann Schreiber in Der Spiegel 51/1970

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    2 days ago

    Ich denke, dass ist echt was die linken Parteien am stärksten zurückhält. Also dieser Perfektionsanspruch kombiniert mit dem Anspruch, dass einem die perfekte Politik am Silbertablett serviert werden soll.

    Die Rechten haben beide Probleme nicht, eher im Gegenteil. Die sind selbst mit offen korrupten Politikern zufrieden und verschicken auch gern mal Morddrohungen wenn mal ein paar Parkplätze einem Redesign geopfert werden würden.

    Ich kann jetzt nicht sagen, dass ich diese Art der der Partizipation toll finde, aber sie funktioniert im Gegensatz zu der Inaktivität und Selbstzerfleischung, die man am linken Ende des Spektrums sieht.